Liebt mein Hund mich auch? – von Marie Nitzschner

Im heutigen Artikel unserer Reihe Beschreibungen eines Gefühls beantwortet für uns Marie Nitzschner die Frage, ob Hunde uns Menschen genau so lieben wie wir sie. Sie ist Verhaltensbiologin und betreibt als Bloggerin ihr eigenes Hundeblog Hundeprofil sowie das Blog Hundekunde der NZZ (Neue Züricher Zeitung). … Euch erwartet ein sehr interessanter Artikel zum Thema ‚Hundeliebe‘ aus wissenschaftlicher Sicht!


2Natürlich liebe ich meine Hunde! Meine VorschreiberInnen habe dieses wunderbare Gefühl schon in so vielen Facetten beschrieben. Als Verhaltensbiologin finde ich diesen Aspekt aber auch umgekehrt betrachtet sehr spannend: Beruht diese Liebe auf Gegenseitigkeit? Was sagt die Wissenschaft dazu? Und kann man das überhaupt untersuchen?

Dass Hunde sich perfekt an das Zusammenleben mit uns Menschen angepasst haben, das steht wohl außer Frage. Aber inwieweit stellt diese Beziehung auch eine echte Bindung dar? In den letzten Jahren wurde in der Wissenschaft immer intensiver untersucht, wie Hunde zu uns Menschen stehen.

Als Bindung bezeichnet man eine enge, emotionale Beziehung zwischen zwei Individuen. Es gibt zum Beispiel die Paar-Bindungen oder die Eltern-Kind-Bindung. Während man bei Erwachsenen einfach nachfragen kann, wie sich zu einer anderen Person stehen, gestaltet sich die Untersuchung des Bindungsverhaltens von Kleinkindern schon deutlich schwieriger. Deswegen entwickelte Mary Ainsworth Anfang der 70er Jahre den sogenannten Fremde-Situations-Test. In den letzten Jahren wurde diese Methode auch genutzt, um das Bindungsverhalten von Hund zu untersuchen. Wie der Test ungefähr abläuft, siehst du hier.

Interessanterweise zeigen Hunde in diesen Tests tatsächlich ähnliches Verhalten wie die Kinder. Zum Beispiel suchen sie in stressigen Situationen die Nähe der Bezugsperson. Als sogenannter „sicherer Hafen“ mindert die Bezugsperson in unsicheren Situationen den Stress des Hundes (1) – so wie es auch bei Kleinkindern der Fall ist. Die Bezugsperson dient zudem als „sichere Basis“ und ermöglicht es dem Kind (oder dem Hund), eine neue Umgebung oder neue Gegenstände zu erkunden (2). Daraus könnte man schlussfolgern, dass die Hund-Besitzer-Bindung ähnlich wie eine Eltern-Kind-Bindung funktioniert.

3Diese Bindung entsteht allerdings nicht automatisch oder bloß weil man zum Beispiel in einem gemeinsamen Haushalt lebt. Lisa Horn und Kollegen haben das in einer Studie untersucht (3): Dabei schaute der Hund drei verschiedenen Personen bei unterschiedlichen Aktivitäten zu. Mit zwei der Personen lebt der Hund in einem Haushalt und die dritte Person ist dem Hund völlig fremd. Eine der bekannten Personen ist für den Hund die primäre Bezugsperson, mit der er häufig verschiedene Aktivitäten unternimmt (Spaziergänge, Training etc.) und die ihn regelmäßig füttert. Die zweite bekannte Person lebt zwar auch mit im gleichen Haushalt, unternimmt aber deutlich seltener etwas mit dem Hund und gibt ihm auch seltener etwas zu fressen Die Ergebnisse zeigen, dass die Hunde derjenigen Person mehr Aufmerksamkeit schenken, mit der sie oft gemeinsame Aktivitäten machen. Die zweite bekannte Person hingegen wird genau so wenig beobachtet, wie die völlig fremde Person. Obwohl die Hunde also beide bekannte Personen gut kennen, scheinen sie nur zu der Bezugsperson eine wirkliche Bindung aufzubauen, mit der sie auch regelmäßig gemeinsame Aktivitäten machen.

Erstaunlicherweise hat die Stärke des Bindungsgefühls des Besitzers keinen Einfluss auf das Bindungsverhalten der Hunde (4). Die Empfindung des Besitzers über die emotionale Nähe zum Hund spiegelt also nicht wieder, wie der Hund die Beziehung wahrnimmt. Stattdessen scheint die Häufigkeit und Intensität der täglichen Interaktionen einen Effekt auf das Verhalten der Vierbeiner zu haben: Hunde, deren Besitzer häufiger mit ihnen interagieren, orientieren sich auch mehr am Besitzer.

Nicht nur auf Verhaltensebene, auch auf physiologischer Ebene gibt es Ähnlichkeiten zwischen uns und unseren vierbeinigen Freunden. So wird bei gemeinsamen Aktivitäten wie Kuscheln oder Spielen sowohl beim Hund als auch beim Besitzer das Hormon Oxytocin ausgeschüttet. Oxytocin wird unter anderem eine bindungsstärkende Wirkung nachgesagt.

Untersuchungen mit modernen bildgebenden Verfahren zeigen, dass sich auch bestimmte Reaktionen im Gehirn bei Hunden und Menschen ähneln. Zum Beispiel wurden Hunden während einer Untersuchung im Magnetresonanztomographen die Gerüche von bekannten oder unbekannten Menschen und Hunden präsentiert. Wenn die Hunde den Geruch eines vertrauten Menschen wahrnahmen, konnte ein verstärkte Aktivität im ventralen Striatum aufgezeichnet werden (5). Ähnliche Ergebnisse werden auch erzielt, wenn man Menschen Fotos von geliebten Personen zeigt. Die Aktivität in dieser Hirnregion wird vor allem mit „belohnenden Prozessen“ in Verbindung gebracht. Auch wenn aus wissenschaftlicher Sicht noch nicht klar ist, ob dieser „belohnende Prozess“ tatsächlich mit einer positiven Emotion gleichzusetzen ist, gibt es offensichtlich erstaunliche Parallelen.

1Auch wenn es viele Hinweise darauf gibt, dass unsere Hunde tatsächlich eine sehr ähnliche Bindung zu uns haben, wie wir zu ihnen, lässt sich die Fragestellung wohl nie vollständig beantworten. Und auch wenn die immer moderneren wissenschaftlichen Methoden einen immer tieferen Einblick in die Welt der Hunde bieten, weiß man nach wie vor nicht, wie genau ein Hund fühlt – und wird es wohl auch nie wissen.

Das macht aber nix. Denn wenn meine Hunde mir in die Augen schauen, bin ich fest davon überzeugt, dass sie mich so lieben, wie ich sie liebe. Und das ist doch schließlich die Hauptsache.

(Alle Rechte am Text und den Fotos liegen bei der Autorin Marie Nitzschner)


Vielen lieben Dank an Dr. Marie Nitzschner und ihren beiden Hunden für diese interessanten Ausführungen.

Morgen erzählt uns Sabina Pilguj aus ihrem gemeinsamen Leben mit zwei Engeln auf vier Pfoten. Sie ist Buchautorin/Freie Autorin, Yogalehrerin, Heilpraktikerin für Psychotherapie, Tierpsychologin (ATN) und Begründerin von Dog Reläx© – Entspannter Mensch-Entspannter Hund. Ihr Herzensprojekt ist das Projekt Wertschätzung teilen – Empathie verbindet. … Uns erwartet erneut ein toller und herzlicher Artikel zum Thema ‚Hundeliebe‘!


(1) Gácsi, M., Maros, K., Sernkvist, S., Faragó, T., & Miklósi, Á. (2013). Human analogue safe haven effect of the owner: behavioural and heart rate response to stressful social stimuli in dogs. PloS one, 8(3), e58475.

(2) Horn, L., Huber, L., & Range, F. (2013). The importance of the secure base effect for domestic dogs–evidence from a manipulative problem-solving task.

(3) Horn, L., Range, F., & Huber, L. (2013). Dogs’ attention towards humans depends on their relationship, not only on social familiarity. Animal cognition, 16(3), 435-443.

(4) Rehn, T., Lindholm, U., Keeling, L., & Forkman, B. (2014). I like my dog, does my dog like me?. Applied Animal Behaviour Science, 150, 65-73.

(5) Berns, G. S., Brooks, A. M., & Spivak, M. (2015). Scent of the familiar: An fMRI study of canine brain responses to familiar and unfamiliar human and dog odors. Behavioural processes, 110, 37-46.


Seelenhunde: Geschichten und Gedanken über die Liebe zu unseren Hunden

Severine Martens
TwentySix, 15. März 2016
ISBN 978-3-95544-005-3
19,90 Euro